»You have nothing«. Noch nicht einmal eine Uhr von Audemars Piguet. Dieses Nichts zeigt eine Gesellschaft, die nichts mehr erregt als die eigene Erregung der Medien, der Anzeigen und Werbung von Galerien und Museen für Biennalen, Kunstmessen, Kunstvollem, dem ganzen Kunstwollen und –müssen. Der Kunsttheoretiker Wolfgang Ullrich spricht in seinem Essay »Wahre Meisterwerke« sogar von einem Werteadel, der sich über ein »Werteproletariat« erhebe. Ein »moralisch-ideelles Wohlstandsgefälle« durchziehe die Gegenwart, und Ullrich erkennt darin den »Übergang von einer sollens- und tugendethisch formierten Gesellschaft hin zu einer wertethischen Ordnung«. In dieser Ordnung reicht es nicht länger, sich gut und richtig zu verhalten, der Einzelne soll und muss sich zum Guten und Richtigen auch bekennen. Und kaum etwas scheint sich für solche Bekenntnisse besser zu eignen als die bildende Kunst.

Nicht die Form ist das Primäre, sondern die Inszenierung von Bedeutsamkeit – und der gemeinsame Glauben daran. Wer bei diesem Gesellschaftsspiel nicht mitmachen will, erlebt rasch, wie ihn das kulturelle Milieu ausgrenzt. Gerade die Auflösung des elitär-exklusiven Kunstbegriffs, in den letzten Jahrzehnten, bestärkte den Elitenverdacht. Gegenwärtig gewinnt dieses Paradox an neuer Macht, denn just die neue Mittelklasse lebt nach den Maximen des Kunstwollens, überall und jederzeit. Sie will sich selbst zum Ausdruck bringen und die zur Schau gestellten Werte werden zum wichtigsten Ausdruckmittel. Art Basel, Art Basel Miami Beach, Art Basel Hong Kong, Documenta, Frieze, und jede noch so kleine Kunstmesse in einer noch so kleinen Stadt, die sich als Metropole geriert. Es sind immaterielle Insignien des guten Lebens, und jeder formt sich daraus seinen privaten Kanon - ob mit Maserati oder ohne. Diese Sinnkonstruktion wird als frei empfunden, sie kann jederzeit umgeformt werden. Allerdings steht auch allen ihre Beliebigkeit vor Augen, und umso heftiger müssen die postulierten Werte durch Bekenntnisse beglaubigt werden. Davon erzählt die Ausstellung: wie wenig es noch um Kunst und wie sehr es um die richtige Ausstellung geht, die sich quasi selbst ausstellt. So erlebt man sich als austauschbare Ressource einer Ökonomie, die auf das mediale Abbild zielt.
Peter Vahlefeld, Semantik der Krise
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